Deutsche Postautomation

Informationen zur deutschen Postautomation im Bereich Freimachung,
Briefannahme, Schalterbetrieb und Briefbearbeitung



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Münzfreistempler der Fa. H. H. Klüssendorf, Berlin- Spandau



Hatte die Fa. Hänel&Schwarz  aus Berlin- Neukölln mit ihrem Münzfreistempler schon 1931 ihr Debüt im Berliner Postamt W9, so baute die uns schon bekannte  Fa. H. H. Klüssendorf  aus Berlin- Spandau 1932/33 ebenfalls einen Münzfreistempler.  Konstrukteur war der Ägypter Kamel Chawkat Nessim. Man findet daher auch häufiger eine synonyme Verwendung und statt vom Klüssendorf- Münzfreistempler  spricht man vom Nessim- Automaten. Der Klüssendorf Werbeprospekt für seinen  Münzfreistempler  ist recht aussagefähig und war schon auf den Einsatz des Gerätes auf dem Weltpostkongress in Kairo 1934 zugeschnitten. 
                                                             

 
Die grundlegende Idee der „Sraßenpostautomation“   und 85jährige Realität

Hans-Joachim Förster  Archivar  der Forschungsgemeinschaft Post- und Absenderfreistempel hat in seiner unermüdlichen Suche in allen deutschen Archiven zur Postautomation im Bundesarchiv einen sensationellen Fund zum Münzfreistempler Typ NESSIM mit den obigen Abbildungen entdeckt und stellt die Bilder meiner Homepage dankenswert  zur Verfügung. Die Konzeption des Gerätes war deutlich verbessert zum Münzfreistempler PA Berlin W9 der Fa. Hänel&Schwarz ( s. dortiges Kapitel). Im Gegensatz zum Hänel&schwarz- Automaten, der nur  ausgestattet war mit der Annahmemöglichkeit von 5 und 10 Pfennigmünzen, gestattete der Klüssendorf- Münzfreistempler die Benutzung von 1, 2, 5 und 10 Pfennigmünzen. Eine Münztrennvorrichtung im Gerät ermöglichte beliebigen Einwurf auch im Gegensatz zum Francotyp- Münzfreistempler ( s. nachfolgendes Kapitel), der für die verschiedenen Münzen unterschiedliche Einwurfschlitze hatte. Der Nessim- Automat summierte den Münzeinwurf und zeigte damit in einem Fenster (heute wäre es ein Display) auch die entsprechende Wertstempel- Einstellung an, die von 1 bis 99 möglich war. Geradezu richtungsweisend bezogen auf heutige Möglichkeiten war ein zuverlässiges Additionswerk, das im Schaltsystem so verknüpft war, dass eine Summierung der gewählten Portowerte möglich war! Es bestand ferner damit die Möglichkeit die Gesamt- Portosumme auf eine Kontrollkarte zur Abrechnung auszudrucken! Siehe auch heutige Abrechnungsausdrucke aus Münzwertzeichendruckern!
Der Einlegeschlitz  für die Briefsendung war begrenzt auf die Maße  70x105mm in der Tiefe bis 230x330mm in der Breite und in einer Stärke bis 12mm. Nach Schaltknopfbetätigung erfolgte Einzug des Briefes mit Abstempelung und automatischen Einwurf in den integrierten Briefkasten des Münzfreistemplers.

Die Entwicklung des Münzfreistemplers war absolut auf die Präsentation auf dem Weltpostkongress 1934 zugeschnitten. Klüssendorf versprach sich selbst durch die internationale Darstellung „des Postamtes auf der Strasse“  genügend Möglichkeiten der Etablierung des Systems, ähnlich wie es später mit den Mailomaten (Münzfreistempler der Fa. Pitney Bowes) in den USA Wirklichkeit wurde.

So waren schon alle Freistempelabschläge des Prototypen von vorneherein auf die Ausstellung in Kairo eingestellt.

                                              
Die obige Abbildung zeigt einen Probeabschlag  vom 21.9.1933 auf einer Postkarte der Reichsdruckerei aus dem Druck 5.31. Der Freistempelabschlag war gekennzeichnet durch einen zweisprachigen Text im Wertrahmen und Einkreisstempel mit Datumzeile mit Punkten ohne Uhrzeitangabe. Die Ortsbezeichnung  „LECAIRE“ war in arabisch und französisch deklariert  und  zwischen Ortsstempel und  Wertrahmen  waren ein   ägyptisches   Monogram ( König Fuad) und Krone etabliert. Der dargestellte Werksabschlag wurde wohl noch nachträglich geschönt mit englischem Text und Ortsbezug Alexandria, denn der Ersteinsatz war erst der 1.1.1934 in Kairo.

Auf Ersuchen der Firma Klüssendorf haben am 23.9.1933 zuständige Sachbearbeiter des Reichspostzentralamtes  den Münzfreistempler in der Fabrik Spandau besichtigt!

Der Automat lief gut. Die Beurteilung war dennoch ablehnend! Münzfreistempler passten damals nicht in das Planungskonzept der deutschen Post.  Empfehlung des RPZ: „Klüssendorf kann trotzdem  ruhig einen Antrag stellen auf versuchsweise Aufstellung zur Erprobung, um das Auslandsgeschäft des Herstellers zu erleichtern, ähnlich gehandhabt wie bei der Fa. Hänel&Schwarz" !

Unbeirrt erfolgte die Aufstellung im Zentralpostamt Kairo zum Weltpostkongress  am 1.1.1934.

                                            

Die Abbildung zeigt einen Ersttagsbeleg vom 1.1.1934 in Kombination mit einer Briefmarke und zusätzlicher Maschinenentwertung vom 1.1.1934. Mit „zwei milliemes“ war die minimale erforderliche Freimachung erfüllt.
Die Lupenbetrachtung offenbart eine überraschende verwandtschaftliche Beziehung zum Münzfreistempler der Fa. Hänel&Schwarz.
Wenn auch nicht in doppelter so doch zur einseitigen rechtsgeführten Transportierung zeigt sich eine Druckführung im Blinddruck mit 3-4mm breiten Kerbungen im Abstand von 1mm, die sich insgesamt 11mm vom rechtsseitigen Wertrahmen darstellen. Eine Miteinfärbung dieser Rändelleiste ist im Gegensatz zum Hänel&Schwarz- Münzfreistempler in Berlin W9 nicht feststellbar. Dort war aber auch der Abstand vom Rändelsystem zum Freistempler- Wertrahmen   mit 3mm erdenklich knapp.
Der Münzfreistempler der Fa. Klüssendorf lief nicht nur während des Weltpostkongresses im Januar bis Mitte Februar 1934 sehr gut und wurde relativ stark frequentiert, sondern blieb weiterhin installiert und  in einem Schreiben der Reichspostdirektion vom 25.9.1935 wird dem Reichspostministerium mitgeteilt, dass erst eine Störung im Antriebsmotor den Automaten am 25.Mai 1934  in Kairo auf dem Zentralpostamt außer Betrieb setzte.


                                                     


Die handschriftliche Signierung am Letzttag mit ungewöhnlichem Portowert ohne Adresse bestätigt wohl eine Gefälligkeitsabstempelung zum Abschied ( s. obige Abbildung).

Belege aus der Betriebszeit  sind noch seltener zu dokumentieren. Erfreulicherweise kann A. Lehr, Dietzhölztal hier ein Beispiel als Kopie zur Verfügung stellen.

                                           

Es bleibt die Frage warum  die Fa. Klüssendorf trotz bester Verbindungen zur deutschen Post auf dem Sektor Münzfreistempler nicht weiter agierte.
Vermutlich waren durch die guten Beziehungen der Firma  die negativen Einstellungen generell des Reichspostministerium zu den Münzfreistemplern bekannt.
Andererseits  muss auch berücksichtigt werden, dass  zum 15.Januar 1932 insgesamt 7700 Wertzeichengeber  aus Anlass der Gebührensenkung  umgerüstet werden mussten! In diesem Geschäft war Klüssendorf stark involviert!
Gerade in dieser Zeit – Ende 1933-  hatte Klüssendorf auch einen Postwertzeichengeber der deutschen Post offeriert  für besonders frequentierte Verkehrsknotenpunkte mit der Novität von zwei Markenrollen zu je 500 Marken, die eine fließende Umstellung nach Verbrauch der 1. Rolle erlaubten, um dadurch das Leerwerden des Wertzeichengebers zu verhindern! Der Auftrag dafür wurde erteilt und es handelte sich mit mehreren hundert Geräten für Klüssendorf um eine vordringliche Angelegenheit.
Dieses „moderne 2Rollen- Konzept" ist aktuell auch wieder in den Sielaff-. Münzwertzeichendruckern nach knapp 75 Jahren aufgegriffen und verwirklicht worden!
Dies macht verständlich, dass die Fa. Klüssendorf ihren Münzfreistempler  „Nessim“ wohl  als „Postamt auf der Strasse“ recht innovativ fand, aber die Geschäftsprioritäten  mit der deutschen Post anders setzte und auf eine Versuchsaufstellung verzichtete.

Aber auch die Fa. Francotyp war noch im Spiel! S. nächstes Kapitel!



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