Informationen zur deutschen Postautomation im Bereich Freimachung,
Briefannahme, Schalterbetrieb und Briefbearbeitung
BRIEFPOSTAUTOMATION – MÜNCHEN – Hopfenstraße
Bis auf eine Einführung war bis dato der 5. Menüpunkt auf der Eingangsleiste dieser Homepage unter BRIEFBEARBEITUNG ein unbesetztes Kapitel ohne spezielle Vorstellungen. Aus diesem Bereich ein weniger bekanntes Thema aufzugreifen, ist fast nicht möglich. Einerseits findet sich eine exzellente Literatur z.B. zur Etablierung der BRIEFSTEMPELMASCHINEN aus den Jahren von 1865 bis ca. 1925 aus der Feder von Inge Riese und Dr. Walter Kohlhaas und ferner besteht eine rührige Arbeitsgemeinschaft (s. Linkliste). Aus diesem Kreis gibt es eine hervorragende und umfangreiche Literatur über die Entwicklung der Briefpostautomation. Waren die Entwicklungsschritte anfangs z.B. bei den Stempelmaschinen über Jahre zu beobachten, wurde das Tempo mittlerweile immens gesteigert und dankenswerterweise können hier J. Olschimke und H. Friedberg als Leiter und Redakteur der Arbeitsgemeinschaft noch Schritt halten. Mit Einführung der Computerwelt mittels Mikrochip und Prozessor scheinen die Fortentwicklungen sich fast zu überschlagen, erprobt wird nicht mehr über Monate und Jahre bis zur Perfektion im Labor des PTZ (Posttechnisches Zentralamt) sondern der Test wird in die Gebrauchswelt verschoben und produziert hier natürlich gegebenenfalls überraschend kurzlebige Entwicklungsphasen, die dabei auch meistens unangekündigt sich noch einer aktuellen Dokumentation entziehen. Elektronik entziffert Anschriften in Sekundenbruchteilen, berührungslose Tintenstrahlstempelungen und Sortierung unter Berücksichtigung der Wegstrecke eines Briefträgers sind in den letzten 50 Jahren Standard geworden. Aktuell hat die DHL – Paket im bayrischen REIT IM WINKL den SKYPORT getestet, der sich für den Drohnentransport mittels PAKETKOPTER öffnet und die Paketstation automatisch aus der Luft und weiter Entfernung füllt s. Info Brief ATM von J. Tast aus Schellerten mit der Nummer 1547 vom 13.5.2016!
Dennoch soll ein Versuch gewagt werden mit einer kleinen Ausführung zu den ersten Codierungen im Matrixverfahren und der Erprobungsaufstellung der Briefverteilanlage der Fa. Siemens & Halske in München im Postamt 2 in der Hopfenstraße im Herbst 1960 und dazu aber noch die Vorstellung wesentlicher Entwicklungsschritte auf dem Weg dorthin.
Oben die Postamtsvorstellung mit der Annahmestelle Hopfenstraße im Einschreibzettel auf einem Brief aus dem Jahr 1943. Auf den politischen Inhalt möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, dies war aber auch die Einführungszeit der POSTLEITZAHLEN.
Im Dt. Reich wurden die Postleitzahlen für den Paketversand im Jahr 1941 erstmals weltweit eingeführt und im Briefverkehr ab 1944. Diese wesentliche Erleichterung in der Abgangssortierung durch Postleitzahlen (PLZ) war sicherlich auch zurückzuführen auf die Einberufung des Postpersonals in den Kriegsdienst und die notwendige Besetzung ihrer Arbeitsfelder mittels weitgehend ungeschulter Kräfte.
Zwangsläufig tauchen dann ab diesem Zeitpunkt auch Nebenstempel zur fehlenden Nutzung der PLZ auf mit entsprechendem Hinweis der Briefbearbeitung und hier auf einer Feldpostkarte mit Datum vom 3.11.1944 und Gumminebenstempel:
Verzögert wegen Fehlen der Postleitzahl
Mechanische Verteilmaschinen für die Postbearbeitung wurden schon in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt und die bekannteste Version ist die niederländische TRANSORMA, die 1931 in Rotterdam ihre Premiere fand. Aus den Worten TRANsport, SORtieren und MAschine erhielt von den Entwicklern Marchand und Andriessen die mechanische Verteilanlage ihren Namen und nachfolgend eine Ansichtskarte aus dem Jahr 1935 aus Bergen bei Traunstein ( Chiemgau in Bayern) an ihren Empfänger in Groningen Holland und roter Verteilerkennzeichnung B.
Aber die Transorma wurde auch in 2 Versionen in Deutschland eingesetzt und zwar in Berlin – Steglitz und in Mönchengladbach ab dem Jahr 1942, hatten teils kriegsbedingte Pausen und fanden mit ihrem Einsatz wenig Beachtung. 5 Postler als sog. Verteiler sortierten die Briefe nach mechanischem Transport mit der Möglichkeit von ca. 250 Briefrichtungen.
Die Postler der Transorma hatten zu Tätigkeitsbeginn eine jeweils eigene Buchstabenkombination zur Kennzeichnung und Kontrolle zu aktivieren, die auf den Briefen aufzustempeln war s. oben im Postamt Berlin – Steglitz mit den Buchstaben Ae. Diese Stempelkennzeichnung war damit ein Bedienerhinweis und steht nicht mit der Richtungssortierung im Bezug, definieren aber damit für Sammler die Maschinennutzung. Die beiden holländischen Direktverteiler waren Ende des Krieges in Deutschland zerstört bzw. wurden demontiert, hatten aber sicherlich Anfang der 1950er Jahre Vorbildfunktion zur weiteren Entwicklung. Hier wurde wohl die Firma Mix & Genest innovativ tätig. Das Berliner Elektrounternehmen – gegründet 1879 - hatte eine wechselvolle Unternehmensgeschichte und 1920 übernahm die AEG das Unternehmen. Die Herstellerfirma – seit 1930 mittlerweile in weiteren Firmenkonstrukten (ITT) untergebracht - wurde dann Mitte der 1950 Jahre über die Standard Elektrizitätsgesellschaft AG (SEG) nach Fusion mit der Lorenz AG in der Standard Elektrik Lorenz (SEL) eingebracht, die im Bereich der Postautomation maßgebend mit weiteren Entwicklungen in Erscheinung trat. Denn neben den Standardbriefformaten in Deutschland nach 1923 und der Einführung von Postleitzahlen waren die Automationsschritte mit Formattrennung und einheitlicher Briefaufstellung unter gleichzeitiger Abstempelung vor einer Briefcodierung durch Personen oder später maschinell unbedingte Voraussetzungen.
Am Postamt Berlin SW 11 wurde diese erste deutsche Version der Direktverteilanlage installiert und eine Demonstrationsanlage auf der Deutschen Verkehrs-Ausstellung München wurde um weitere Verteilerplätze erhöht und 1954 in Dortmund eingerichtet und aufgestellt.
die Schnittzeichnung der entwickelten DIREKTVERTEILANLAGE für DORTMUND
Ebenso wie bei der Transorma gab es Platz- bzw. Verteilerkennzeichen, um Fehlversendungen erkennbar und verfolgen zu können. In den nachfolgenden Briefbelegen vom Standort Dortmund sind die Buchstaben E (spiegelverkehrt) und C erkennbar und dokumentiert.
Im Rundbrief 2009 – 3 der Bundesarbeitsgemeinschaft Briefpostautomation findet sich übrigens ein interessanter und illustrierter ausführlicher Artikel zur Direktverteilanlage im Postamt Dortmund 1. Weitere Direktverteilanlagen gab es u.a. in Frankfurt, Freiburg und Mannheim.
Fortsetzung Briefbearbeitung München Hopfenstraße ab dem Jahr 1959/60
Die Automatisierung war durch steigendes Postaufkommen über die Direktverteilung hinaus zwingend erforderlich und eine erste Voraussetzung ist die Formattrennung zur weiteren Bearbeitung. Dazu einmal ein Bild der Telefunkenanlage FT 660 aus dem Jahr 1965.
Während eine Formattrennung aus einer Briefmenge noch technisch vermutlich einfacher und vorstellbar erscheint, so ist die Briefaufrichtung zur Stempelung, Adresslesung und Codierung schon ein technisch schwierigeres Problem gewesen, dass in unterschiedlichen Verfahrensweisen angegangen wurde. Das wichtigste Erkennungsmerkmal war dabei die Briefmarke, denn hier sollte ja auch der Entwertungsstempel platziert werden.
Die Versuche der SEL (Fa. Standard Elektrik Lorenz) hier nach dem Hell – Dunkel – Unterschied zwischen Briefmarke und Briefumschlag fotoelektrisch zu nutzen, liefen in Abstimmung mit dem PTZ in Berlin am Postamt SW 11 seit dem Jahr 1958.
Dazu eine Versuchspostkarte der SEL
Aber gerade der oben abgebildete graue Farbton der Briefmarke reflektierte nur unsicher und hatte entsprechende Fehlerquoten. Die Briefbelege dieser Versuchszeit sind im Maschinenstempel unter dem vorangestellten Kennbuchstaben x, y und z mit einem Zweitbuchstaben zu erkennen. Die Versuchsauswertung zur Fehlerquote belegte die Schwierigkeiten mit mangelhaften Kontrastgegebenheiten. Dies führte bis hin zur Anforderung einer verbesserten Farbgestaltung der Marke und die Berliner Gedächtniskirche aus der Freimarkenserie Berliner Stadtbilder vom 22.6.1956 wurde sogar diesbezüglich noch einmal verändert mit Datum vom 14.2.1959 von Farbton grüngrau zu dunkelzinnober (nach MICHEL).
Dies war im Einzelfall natürlich möglich, wäre aber in der Markengestaltung doch wohl ein großer Eingriff bei Verallgemeinerung für den Briefmarkengrafiker geworden. Von September 1960 bis Januar 1961 testete das PTZ selbst in Berlin im Postamt SW 11 und aus dieser Zeit ist der Maschinenstempel mit den Kennbuchstaben xyz kennzeichnend und dazu auch ein Kartengruß aus Berlin.
Beim Wunsch nach tiefgründiger Information zu dieser Phase der Briefpostautomation kann nur das Handbuch von Dr. H.- J. Kerkau aus dem Jahr 2009 empfohlen werden, erschienen in der ArGe Briefpostautomation! Dieser Literaturhinweis gilt ebenfalls für die Phase der Fluoreszenzentwicklung zum verbesserten und sichereren Briefaufstellergebnis, wenn auch die Herstellung entsprechender Postwertzeichen bzw. Balkenzudrucke teurer wurde im Gegensatz zur reinen Hell-Dunkel-Erkennung. Aber die bis dato entwickelten Maschinen von SEL und auch TELEFUNKEN bedurften eigentlich nur einer Neuausstattung mit einem entsprechendem Modul zur Fluoreszenz- oder Phosphoreszenzerkennung.
Ab 1960 arbeitete nach Vorarbeiten im PTZ die dt. Post mit fluoreszierendem Briefmarkenpapier. Mit zahlreichen Marken spez. Heussausgaben wurde experimentiert.
Fluoreszenzfarbstoffe wurden erprobt, teils in breiten und später schmalen Balkenzudrucken auf Postkarten mit z.B. Entwertungsstempel der Bundesdruckerei Berlin und zu Testzwecken auf Postscheckbriefen. Auch dazu explizit noch einmal der Hinweis auf das Buch Dr. Krekau.
An dieser Stelle noch der Hinweis, dass noch später (1964/1965) zur Prüfung von Fluoreszenzintensität Marken eingesetzt wurden z.B. aus der Serie „Dt. Bauwerke Berlin“ ohne Werteindruck mit „Entwertet-Stempel“ in schwarz.
Hier Markenvordruck (Treptower Tor in Neubrandenburg) Berlin ohne Werteindruck in dunkelblaugrün und Kontrast verstärkt.
Die Versuchautomation zur Briefaufstellung und Stempelung ist aus dem PTZ in Darmstadt aus dieser Zeit am Unterscheidungsbuchstaben xy erkennbar und dazu folgende Abbildung mit alter Postleitzahl und der neu eingeführten Version und hier in Darmstadt 2 mit 61.
Links oben mit 3.10.1960 Stempel vom Inbetriebnahmetag und Marke aus der Heuss Serie I (Mi 186x) nicht fluoreszierend und der PTZ – Umschlag vom 14.7.1961 und Fluoreszenzmarke aus der Freimarkenserie BEDEUTENDE DEUTSCHE (Mi 352y). Wurde ein Briefbeleg nicht maschinell erkannt und abgestempelt, erfolgte ab Juli 1961 die nachträgliche Entwertung mit Hammerstempel und mit dem Kennbuchstaben w.
Dazu noch die Aufstellmaschine AM 660 von Telefunken mit dem Bild einer Werksveröffentlichung aus Februar 1965.
Zugehörige Leistungsbeschreibung
Ab Mitte 1960 wurden dann die Briefmarken im großen Stil auf Fluoreszenz umgestellt und dies auch noch für die Heussmarken aus der Freimarkenserie I.
Vorstehend der komplette Lumogensatz Heuss I und zusätzlich Postschalterbetriebsversuch mit zweifarbigem selbstfärbenden Nummernstempel für Einschreibsendungen. Die Schalter-Einschreib-Freistempelmaschinenversuche von 1957/58 waren wohl an der erheblichen Zahl von Einlieferungsbüchern gescheitert und ab Februar 1962 folgte der obige Betriebsversuch an 15 Postämtern und hier mit Mannheim 1 in der OPD KARLSRUHE erkennbar mit 13 C. Aber auch dieser Betriebsversuch war nur von relativ kurzer Dauer.
Nachfolgend Lumogen Heuss aus dem PTZ Darmstadt mit Maschinenstempel xy
Das Briefzustellkonzept der Deutschen Post führte nach entsprechenden Überlegungen und auch Studien des PTZ zum Auftrag an die elektrotechnische Maschinenbauindustrie nicht nur Briefsortieranlagen zu entwickeln sondern auch Briefcodierungen zur maschinellen Erleichterung der Briefverteilung. Danach waren ab 1957 anfänglich 3 namhafte Firmen SEL, AEG- Telefunken und Siemens in der grundlegenden Neuentwicklung elektronischer Briefsortierung und -codierung involviert und einbezogen.
Erste Versuche zur Briefcodierung wurden im PTZ gestartet und dies hier am Beispiel einer Telefunkenanlage mit 8 – Lumogenpunkten. Die kleine Belegserie war auf der Briefmarkenausstellung „Der Brief im Wandel von fünf Jahrhunderten“ in Nürnberg am 31.8.1981 mit der Marke der NÜRNBERGER POSTBOTE aus dem 18.Jahrhundert in einem Briefkasten gesondert gesammelt und zur Bearbeitung in Darmstadt dem PTZ übergeben worden.
Die Codierpunkte sind praktisch nur unter der Fluoreszenzlampe erkennbar und dieser Beleg soll dann zum MATRIXCODIERVERSUCH in München – Postamt Hopfenstraße führen mit einer Anlage der Firma Siemens & Halske.
Fortsetzung (19.6.16) Briefbearbeitung München Hopfenstraße ab dem Jahr 1959
Die Versuche zur Briefcodierung begleiteten allerdings zahlreiche Versuche, um magnetisch oder fotoelektrisch die bestmögliche Version zu finden. War Telefunken ferner mit der Punktcodierung mittels fluoreszierendem Farbstoff in ihren Anfängen zur Briefcodierung aktiv, so arbeitete Siemens & Halske mit einer Strichcodierung.
Die Codierung z.B. mit der Darstellungsmöglichkeit einer 4stelligen Zahlenreihe gemäß der geplanten Postleitzahl folgte in beiden Fällen mit dem 2 aus 5-Code. Die folgende Teilabbildung einer Plastikkarte der Siemens ElectroCom, Konstanz Abteilung Postdienst-Automatisierung zeigt die Decodierungsmöglichkeit der Strichanordnung mittels Schablone zurück zur eingegebenen Zahlenreihe.
Dazu einmal die Gegenüberstellung der Punkt- und Strichcodierung (8mm Abstand) für die Verwendung in der Verteilanlage
Auch ohne spezielle fotografische Kenntnisse habe ich einmal das Gewebeband zur Postcodierung aus dem Jahr 1960 normal aufgenommen und einmal unter der Ultra Violet Fluorescent Tube und die Aufnahmen untereinander abgebildet.
Die Gewebebänder wurden mit löslichen Fluoreszenzstoffen getränkt und auch nach 55 Jahren ist noch ein deutlicher Leuchteffekt produzierbar!
Dennoch waren die Fluoreszenz - Gewebebänder im praktischen Einsatz sehr verschleißanfällig. Auch bei Siemens & Halske wurden anfangs für den Balkendruck braun-schwarz eingefärbte Textilbänder im Nassdruckverfahren genutzt und man ging dann ab Frühjahr 1961 über zu Kunststofffolien beschichtet mit magnetisierbarer schwarzer Farbe und dazu folgendes Bild.
In der Abbildung belegt der untere und vollständige Teil die unbenutzte Trägerfolie und darüber hälftig abgebildet nach Codiereinsatz. Die Druckqualität von den Folienbändern konnte noch durch Erhitzung der Druckbolzen auf 160 Grad Celsius in eine rasch abgetrocknete und wischfeste Form verbessert werden.
Die Fa. Siemens & Halske war nach entsprechender Entwicklung der Automaten in ihrem Wernerwerk in Berlin in der Lage in München beim Postamt 2 in der Hopfenstrasse in die praktische Erprobung zu treten. Die folgende Aufbauskizze zeigt aber schon die geplante kombinierte Briefbearbeitung mit Hintereinanderschaltung integrierter Maschinenbausteine mit Beschickung, Zwischenstapler, Codierplätzen und erneutem Zwischenstapler vor der Verteilmaschine.
Betreut durch die Firmeningenieure standen in München zur Erprobung Codierplatz und Briefverteilung in getrennter Version ohne automatische Briefzuleitung über Förderbänder im Aufbau und ebenso war eine Formattrennanlage nicht vorgeschaltet. Die beiden wesentlichen Bausteine waren der Codierplatz und das Verteilerkarussell und wurden jeweils mit Erprobungspost aber auch teils mit regulärer Zustellpost per Hand bestückt und erprobt.
Neben der Schreibmaschinen ähnlichen Tastatur waren noch Sondertasten mit spez. belegten Funktionsschritten möglich. So konnten z.B. mit einer Taste mehrere Nullen am Ende der Postleitzahl aufgefüllt werden, es gab eine Wiederholungstaste für eine gleiche Adresse im Zuführungsprozess und erst der letzte Tastendruck gab den Brief an das Druckwerk weiter und rief den folgenden Briefbeleg ab. Damit wurde eine starre Codierzeit pro Brief in der Bedienung vermieden.
Dazu noch einmal ein Detailbild der Codiertastatur bei der Vorführung auf der Hannover Messe 1963 in leicht veränderter Form gegenüber der Erprobungsform in München.
Der manuelle Codierplatz war in der Briefzuführung auf 5000 Briefe pro Stunde ausgelegt. Während der untere Brief fertig gestellt wurde, konnte schon der nächste obere Brief adressenmäßig optisch erfasst werden. Das Druckwerk zur Codierung war linksseitig vom Codierplatz angeschlossen. Codiert wurde eine 4stellige Ziffernfolge aus 4stelliger PLZ im Abgang oder bei Eingangszustellung wurde aus einem „Straßenextraktcode“ aus 4 Buchstaben in festgelegter Reihenfolge ein 4stelliger Zifferncode gebildet.
Dabei wurde jede Ziffer – wie oben bereits erwähnt - 0 bis 9 durch einen „2-aus-5-Code“ durch 2 Striche dargestellt. Bei fünf Druckpositionen können so zehn verschiedene Kombinationen und damit 10 verschiedene Ziffern eindeutig belegt werden.
Die Druckstriche wurden mit lumineszierender oder magnetisierbarer Farbe ausgeführt.
Anfangs wurde der Matrixcode im Nassdruckverfahren von Gewebestreifen mit Farbbalken als Strichcode auf das Adressfeld des Briefes aufgedruckt. Versuchsbriefe mit Adremaadressen zeigen die Strichbalken in einer Höhe von 6 mm und in einem Abstand von 5 bis 6mm – siehe folgende Abbildung.
Die Versuchszeit lief nachweisbar nach entsprechender Entwicklung im Wernerwerk Berlin 1959 und Aufbau in München beim Postamt 2 in der Hopfenstraße ab Oktober 1960 und lief dort ca. bis Februar 1962. Dazu ein weiterer Versuchsbrief in Fensterbriefausführung der Siemens & Halske AG mit schwarzbrauner Nass – Matrixcodierung für 7257 (Strichhöhe und – abstand ca. 6mm) und zusätzlich eine Platzkennzeichnung durch eine offene Ringfigur mit zwei halbkreisförmigen Segmenten. Die versuchsweise Einführung von Platzkennzeichen lief ab 1959 und das zugehörige Druckwerk lief aber getrennt vom Codedrucker.
Fortsetzung (26.06.2016) Briefbearbeitung München Hopfenstraße ab dem Jahr 1959
Die codierten Briefbelege wurden in München während der Versuchsphase in der Vorverteilung in Taschen gesammelt und manuell der Verteilermaschine zugeführt, die mit 100 Richtungsausgängen konstruiert war.
Werksfotos ( Codierplatz und Briefverteiler ) Siemens & Halske, Werner Werk
Der Verteilerautomat war karussellähnlich ausgeführt mit einem oben im Uhrzeigersinn drehenden Taschenkranz und darunter über vertikale Schächte verbunden mit dem entgegengesetzt drehenden Behältertrakt. Im Code - Abtaster werden lumineszierende Balkenstriche durch ultraviolette Bestrahlung aktiviert und entsprechende fotoelektrische Widerstandsempfänger wandelten in Stromimpulse um. An dieser Stelle der Hinweis, dass fluoreszierende Balkenstriche durch ultraviolettes Licht nur kurzfristig aktiv leuchten und sofort abgetastet werden und phosphoreszierende Kennzeichnungen „nachstrahlen“ und auch nachgeschaltet abgelesen werden können. Magnetfähige Farbstriche wurden durch einen Dauermagneten aktiviert und hier erfolgte im Abtaster durch Magnetköpfe entsprechend der Strichpositionierung des Codes eine Stromimpulsumwandlung.
Vorstehend die Schnittzeichnung der Übertragung einer Magnetcodesteuerung für die Briefverteilmaschine (aus „SIEMENS-ZEITSCHRIFT“ aus dem Jahr 1963).
In der obigen Abbildung weist die Bleistiftspitze auf den 5teiligen Code - Abtaster für die magnetisierte 2-aus-5-Kennung sichtbar auf dem rechts herangeführten Briefumschlag (aus „DER INGENIEUR DER DEUTSCHEN BUNDESPOST“ und ebenfalls aus dem Jahr 1963). Die Brieftaschen im oberen Kranz des Verteilers haben nun ein magnetisch codiertes Zielmerkmal und trifft eine Übereinstimmung mit dem entgegengesetzt drehenden Behälterkranz zu, öffnet sich die Bodenplatte der entsprechenden Tasche automatisch zur Entleerung in den passenden vertikalen Verteilungsschacht.
Die Behälter der sortierten Post öffnen sich bei der rotierenden Briefverteilmaschine in der sog. neutralen Zone und erlauben eine Briefentnahme. In der Mitte ein Überlaufbehälter für unbekannte Sendungen. Entnahme obiges Bild aus der Siemensarchivierung.
Siemens & Halske dokumentierten aber auch Briefbelegbeispiele aus der Versuchsphase in München 1959/1962 für das Firmenarchiv und dazu folgende Abbildung
Passend dazu nachfolgend einige weitere Dokumentationsbeispiele aus dieser Anfangszeit der Briefpostautomation in München im Postamt 2 in der Hopfenstraße.
Zur Kennzeichnung der Versuchspost wurden auch fortlaufende 3- oder 4-stellige Paginierstempel benutzt in schwarzer Farbe und teils handschriftlich ergänzt. Dazu nachfolgend Versuchsbriefe mit Magnetstrichcodierung im 6mm Abstand mit 4stelliger Paginierzahl und handschriftlicher Ergänzung für Code 7685 und 6503.
Teilweise wurde von den Siemens – Ingenieuren nicht nur mit Versuchspost in der Hopfenstraße gearbeitet, sondern an bestimmten Tagen auch reguläre Eingangspost des Postamtes München 2 für die Zustellbezirke 20, 33, 34, 35 und 37 codiert.
Postkarte Heuss Medaillon mit breitem Fluoreszenzbalken und Magnetstrichcode (6mm)
Vorstehend eine sicherlich ebenso philatelistisch beeinflusste Dokumentation und in diesem Fall sogar nach Verteilerbearbeitung im PTZ Darmstadt zur Briefcodierung im München Postamt 2 mit Datum vom 13.2.1962. Neben der Matrixcodierung München finden sich unter der Fluoreszenzlampe 8 Punkte aus der Verteilmaschine in Darmstadt! Dies war dann nach meinen Unterlagen auch der Letzttag des Betriebsversuches der Fa. Siemens & Halske im Postamt 2 in München und die Anlage ging dann im Mai 1962 ins PTZ nach Darmstadt. Dort liefen aber auch schon seit 1960 Versuche von Siemens & Halske mit der Entwicklung einer automatischen Ziffern – Leseeinrichtung, die am 14.7.1961 im PTZ der Öffentlichkeit und der Presse vorgestellt werden konnte. Zu dieser wesentlichen Entwicklung im Bereich der Postautomation nachfolgend eine Abbildung und Beschreibung.
Der nächste Postautomationsschritt war dann die Verknüpfung mit dem Codedrucker und dem Briefverteiler und diese Entwicklung wurde erstmals auf der Hannover Messe 1963 von Siemens & Halske auf der Sonderschau „ELEKTRONEN LESEN UND LEITEN“ vorgeführt und dazu wurden den Besuchern entsprechende Briefbelege zur Dokumentation ausgehändigt.
Codierbalkenabstand nun 8mm
Nach weiteren Verbesserungen stand dann der endgültigen Aufstellung einer kompletten Briefverteilanlage nichts mehr im Wege. Siemens & Halske etablierten im Postamt 7530 Pforzheim ihre komplette automatische Briefverteilanlage im Jahr 1965.
Ich weise in diesem Zusammenhang auf die Neubearbeitung im Handbuch der Arge Briefpostautomation von W. Oschewsky und H. Friedberg aus dem Jahr 2007 hin: DIE AUTOMATISCHE BRIEFVERTEILUNG IM POSTAMT 753 PFORZHEIM 1 von 1965 bis 1998. Hier liegt nicht nur ein Standardwerk zur ersten regulären Briefverteilanlage vor, sondern es beschreibt auch die Umrüstung auf die weitere technische Entwicklung zur Linearcodierung mit der neuen AEG- Telefunken- Briefverteilanlage ab 1981 in Pforzheim. Denn Siemens & Halske stellte 1967 die Maschinenproduktion zur Briefverteilung ein und verkaufte seine Lizenzen.
In Erinnerung an die Einführung in Pforzheim gab es aktuell nach 50 Jahren einen passenden Sonderstempel und auch in diesem Fall ein Zeichen der rührigen Arbeitsgemeinschaft.
Damit möchte ich das Thema Siemens & Halske und den Erprobungsschwerpunkt in München im Postamt 2 in der Hopfenstraße zunächst einmal abschließen. Das zugehörige „Rahmenprogramm“ schien mir sinnvoll, um das Verständnis für die teils doch recht komplexen Entwicklungsschritte in den Anfängen der Briefpostautomation zu verdeutlichen. Da dies nicht unbedingt mein „intensivstes“ Spezialgebiet war, bitte ich um kritische „Begutachtung“ und gegebenenfalls Informationen zur Verbesserung.