Kriegsende, Amerikaner und Briten in Wolfsburg
In den Morgenstunden des
11. Aprils 1945 stehen die amerikanischen Truppenspitzen vor dem Volkswagenwerk und hatten wohl im Gebiet Braunschweig schlechteres Kartenwerk als ihre britischen Verbündeten. Standen die Amerikaner staunend vor dem Volkswagenwerk, das nicht in ihren Karten verzeichnet war, so hatten die Briten wohl dank entsprechender Spionage phantastische topographische Kenntnisse, die evtl. aber bevorzugt der AIR FORCE zur Verfügung standen. Nachfolgend Impressum der britischen Kartenausgabe 1944 /1945.
Das RAD LAGER RÜHEN war sogar 1944 bei den Briten in den Gebäudestrukturen eingezeichnet, die sich dem Lager 3344 (183) auf der Ansichtskarte Rühen erkennbar zuordnen lassen.
In diesem Lager war das schon erwähnte Säuglingsheim, das für Neugeborene der Zwangsarbeiterinnen aus dem VW – Werk und dem Kreis Gifhorn eingerichtet worden war. Frühe Trennung von den Müttern und fehlende Stillmöglichkeit und Hospitalismus evtl. durch Dyspepsiekeime ließen den Kindern keine Chance des Überlebens. Der verantwortliche SS - Werksarzt Dr. Körbel wurde am 7.März 1947 nach einem international stark beachteten Kriegsverbrecherverfahren im Zuchthaus Hameln hingerichtet.
Die vorausstürmenden amerikanischen Truppen stießen dann direkt weiter bis zur Elbe vor, in Fallersleben wurde nur ein Nachschubkontingent eingerichtet und in der Stadt des KdF – Wagens entstand ein Ordnungs- und Machtvakuum für über 15.000 Menschen. Die Lager waren unbewacht, die deutsche Bevölkerung fürchtete Vergeltung. Die Versorgungssituation in den Lagern mit Nahrung – war sicherlich schon vorher ungenügend gewesen – existierte nun nicht einmal mehr. Das Motto PLÜNDERN ODER VERHUNGERN bedarf keiner Erläuterung, allenfalls die deutsche Bevölkerung hatte noch entsprechende Bevorratung in ihren Wohnungen und war damit in exponierter Lage. Erste Plünderungen der wenigen Geschäfte fanden schon statt, das Postamt neben der nach dem Luftangriff zerstörten CIANETTI – Halle wurde gestürmt, geplündert und die Einrichtung demoliert.
An dieser Stelle ist einmal Kaplan Holling in der Stadt des KdF – Wagens erwähnenswert und ferner seine geduldete Betreuung der katholischen Gläubigen seit 1940 in einer eingerichteten Notkirche im Saal neben der Gaststätte Wolter in Heßlingen.
In dieser Situation der drohenden Gewalteskalierung kann Holling zusammen mit dem französischen Lagergeistlichen und mit einigen Deutsch-Amerikanern aus dem VW-Werk (u.a. Kraftwerksleiter Fritz Kunze) die Amerikaner in Fallersleben am
14./15. April zur Besetzung von Stadt und Werk bewegen, um damit die brisante Lage zu entschärfen und die Sicherheit für die gesamte Bevölkerung zu gewährleisten. Einige der Ingenieure und ihre Familien hatten wohl auch noch zusätzlich die amerikanische Staatsangehörigkeit und dienten wohl als Argumentationshilfe und damit zur Überredung einer amerikanischen Intervention vor Ort.
Schon am 19. April verfügte der amerikanische Stadtkommandant die Rückgabe aller entwendeten Gegenstände durch Aushang an allen Häusern und dies war auch wohl spez. an die
deutsche Bevölkerung gerichtet und ihr „Organisationstalent im Durcheinander dieser Tage“. Aushang nachfolgend im ORIGINAL.
Die amerikanische Besatzung nutzte rasch vorhandenes Restmaterial und Werkzeug und die Fachkenntnis der Arbeiter im VW – Werk zur Reparatur ihrer Militärfahrzeuge. Von den Alliierten eingesetzte deutsche Ansprechpartner spez. in leitenden Funktionen wechselten öfters je nach Kenntnislage ihrer NS – Vergangenheit durch die Militärverwaltung bzw. nach den Ergebnissen der Entnazifizierungskommissionen, in denen sich auch Deutsche unter den umgekehrten politischen Verhältnissen durchaus persönlich und teils unerbittlich wieder trafen. Zum Stichwort ENTNAZIZIERUNG nachfolgend ein Belegbeispiel aus Berlin.
So wurde Rudolf Brörmann – ehemaliger Leiter der Inspektionsabteilung im VW- Werk - anfangs verantwortlich für die Werksleitung eingesetzt und setzte seine ganze Kraft in die Erhaltung des Werkes und überzeugte überraschend mit Hilfe einiger Kollegen auch mit der Produktionsmöglichkeit des Volkswagens aus Restbeständen der ehemaligen Kübelwagenherstellung (Brörmann geriet übrigens später „unter die Räder“ der Entnazifizierungskommission). Schon Ende April 1945 wurde das VW – Werk und die zugehörige Stadt an die BRITEN entsprechend der geplanten Zonenaufteilung übergeben und vollzogen.
Das geheime Potsdamer Abkommen bestimmte dann im August 1945 die wesentlichen Grundzüge der Siegermächte für den Umgang mit Deutschland und seine zukünftige Gestaltung.
An dieser Stelle soll zunächst nur mit einigen philatelistischen Beispielen die geographische Konsequenz vorgestellt werden mit
Franz.-Zone, Amerikanische Zone, Amerikanischer Sektor, Russische Zone, sowjetische Besatzungszone Deutschlands, Englische Zone, um nur einige diesbezügliche Bezeichnungen vorzustellen.
Die britische Militärverwaltung setzte eine Stadtverordnetenversammlung in der STADT DES KDF – WAGENS ein und ihre erste Tagung am 25.Mai 1945 erbrachte schon die Umbenennung mit dem Stadtnamen WOLFSBURG und dies schlug sich auch postalisch dann ab 15.Juli erkennbar in den Poststempeln nieder.
Die Dienstsiegelvariante mit separatem Datumseindruck findet sich bis November 1946 in verschiedenen Varianten mit Gummistempel und handschriftlicher Eintragung. Das Postamt 1 neben der Cianetti-Halle war zerstört. Im Postamt 2 Steimkerberg wurde ab 15.Juni 1945 ein provisorischer Betrieb eingerichtet und POLEN mit einem Holzgas-LKW brachten die Post nach Hannover und zurück! Am 1. September 1945 konnte das Postamt 1 wieder in Betrieb gehen. Den ersten Stahlstempel mit (20) WOLFSBURG 1 gab es dann ab 18. November 1946. Ein Sparbuch aus der Stadt des KdF – Wagens belegt die Variationsbreite in
einem Dokument (nicht identisch mit obigem Sparbuch britische ZONE).
Aus den vielfältigen Belegen dieser Zeit dazu noch fünf weitere markante Beispiele. Zunächst die späte Nutzung des Poststempels STADT des KdF – Wagens am 29.Juni 1945 auf einer Postkarte und dies mit der alliierten Freimarkenausgabe.
Der nachfolgende Sparbucheintrag zeigt vermutlich einen neuen Letzttag des Poststempels STADT DES KdF - WAGENS mit dem Verwendungsdatum vom
12.9.1945 und Kennbuchstaben d !
Ferner der Briefumschlag vom Elektromeister H. Meyer in der Stadt des KdF – Wagens und der Notmaßnahme mit Einzeiler Wolfsburg ebenfalls auf alliierter Freimarke und entsprechende Änderungen mit Zusatz WOLFSBURG im Absenderfeld des Briefes.
Damit auch die folgende Postkarte aus Berlin richtig in der Schlieffenstraße ankommt, hat der Absender im November 1945 gleich 4 Ortsangaben sicherheitshalber angeführt:
Rothenfelde – Wolfsburg bei Fallersleben, früher Stadt d. K.d.F. Wagens
Der portogerechte Wertbrief mit Notstempel Wolfsburg und seltenem V – Zettel hat in Form und Gestaltung vermutlich einen philatelistischen Hintergrund. Ankunftsstempel rückseitig Frankfurt (Main) nicht abgebildet
Angelehnt an die Entwicklung im Poststempelbereich an dieser Stelle folgend die Entwicklung des Absenderfreistempels im Verwaltungsbereich des Bürgermeisteramtes und der Deutschen Reichspost bis zur Stadtverwaltung und zur Deutschen Bundespost. Der aptierte Reichspoststempel der Nachkriegszeit ist relativ selten anzutreffen. Auch die Stadtwappenentwicklung ist zu beachten und 1952 die Rückkehr des „Käfers“ im AFS als früher Hinweis der Symbiose von VW – Werk und zugehöriger VOLKSWAGENSTADT.
äquivalent dazu die Entwicklung des Absenderfreistempels im Volkswagenwerk
Der Absenderfreistempel mit Datum vom 20.6.1939 zeigt schon das charakteristische VW-Zeichen im Zahnradkranz als Symbol der Deutschen Arbeitsfront. Im Ortsstempelteil die Produktionsstätte des KdF - Wagens in der gleichnamigen Stadt bei Fallersleben.
Schon rasch ab Frühjahr 1940 wechselte das Volkswagenwerk im Absenderfreistempel sein Klischee ab, eliminierte den Begriff K.d.F.-Wagen im Werbeteil und die Nutzung lief so bis zur alliierten Werksbesetzung im Frühjahr 1945. Der Stempel mit Datum vom 21.8.1942 weist nun die Volkswagen – Werk - GmbH als Absender aus und das schon bekannte Logo wurde mit 4 zusätzlichen stilisierten Fahnen ergänzt.
1946 Absenderfreistempel Volkswagenwerk mit aptiertem Wertstempel Reichsadler und rückseitig Absenderstempel als roter Gumminebenstempel mit VW- Silhouette ebenfalls im schwarzen Nebenstempel. „Käfer“ nach links und in der Wagentür noch KdF – Schriftzug! Zensurstempel und Öffnungsstreifen der Militärverwaltung.
1947 nachfolgend aptierter AFS mit Wertstempel Reichsadler und vorderseitigem Absendereindruck und Hinweis „unter Verwaltung der Kontroll-Kommission für Deutschland“ – under CC for G (BE). Rückseitig weiterhin „Käferemblem“ mit KdF – Schriftzug seitlich in der Wagentür!
Es kann bezweifelt werden, dass die britische Militärverwaltung die 3 Buchstaben
KdF in der Wagentür registriert hat und damit noch bewusst „NS- und Hitlerwerbung“ betrieben hat.
1948 Wertstempel Deutsche Post und 1949 Käfersilhouette im AFS – Werbeteil und Postleitzahl Wolfsburg 20a.
1951 firmiert dann im Wertstempelteil die Deutsche Bundespost. Der Brief als Einschreibselbstbucher des VW – Werkes hat noch einen entsprechenden Einschreibzettel und der Rückläufer hat vorderseitig noch den Postbüro – Stempel VW mit Eingangsdatum.
Im Vorgriff hier schon der AFS von 1953 mit dem Käferemblem und der Werbung mit der „Wirtschaftswunderproduktion“ und ½ MILLION VOLKSWAGEN und 1954 der neu gestaltete Werbeteil mit dem VW – Logo weiterhin im quergestreiftem Rechteck.
Nach diesem Ausflug aus Gründen der Übersichtlichkeit und der Zusammenhänge bis teils in die 50er Jahre am Beispiel der Absenderfreistempel in ihrer Nachkriegsphase mit Aptierung und Entwicklung bis zur Deutschen Bundespost,
geht es zurück in das Jahr 1945 mit der britischen Werksübernahme von den Amerikanern. Auch hier können frühe Briefausschnitte hilfreich dokumentieren. Die Werksbriefumschläge wurden anfangs 1945 vor Aptierung des Absenderfreistempels im Portoentgeld mit
Gebühr bezahlt gestempelt
, als Ortsstempel diente ein einzeiliger Gummistempel WOLFSBURG mit PLZ bzw. etwas später ein Postdienstsiegel mit Gummistempel zur zusätzlichen Datumsangabe. Beispielhaft unten mit 9.Sep.1945. Rückseitig der Absenderstempel der Volkswagenwerk GmbH in Wolfsburg und wie fast stets das
Käferemblem mit seiner KdF – Werbung in der Wagentür, die übrigens bis zum Jahr 1949 zu beobachten ist. Der Gummistempel in blauer Farbe und „Käfersignet“ in diesem Fall nach rechts.
Die britische Militärbehörde enteignete das VW – Werk als ehemaliges DAF – Unternehmen, die Kontrollkommission in Minden wurde zuständig, das Werk firmierte kurzfristig unter WOLFSBURG MOTOR WORKS, reparierte entsprechende Besatzungswagen und die britische Militärregierung übernahm im August das Werk und setzte zur Leitung
Major Ivan Hirst ein. Sicherlich retrospektiv ein in jeder Hinsicht glücklicher Umstand für das Volkswagenwerk und seine zukünftige Entwicklung. Hirst hatte Management-Qualitäten, Improvisationstalent, besaß den nötigen Optimismus und seine persönliche Freude am Produkt des „Käfer“autos! Hinzu kam die Unterstützung durch Oberst C.R. Radclyffe aus der Militärregierung und schon Ende August 1945 lautete der Auftrag 20.000 Volkswagen – Limousinen zu produzieren! Dazu ein kleiner Schriftwechsel zur Organisationsproblematik mit dem einfachen Produktbeispiel der Zündschlüssel.
Mit Schreiben vom 1.9.1945 an die Fa. Börkey Nachf. in Gevelsberg bestellt VW eine Schlüsselfräsmaschine mit abgezeichneter Genehmigung durch einen Captain der REME (Royal Electrical and Mechanical Engineers). Allein 5x ist auf dem „alten“ Briefbogen der Volkswagenverwaltung in diesem Fall die STADT DES KDF – WAGENS durch WOLFSBURG ersetzt worden. Im Schreiben vom 21.2. 1946 ist endgültig im VW - Briefpapier die NS – Vergangenheit überwunden, die Fräsmaschine aber immer noch ein Wunschobjekt. VW hat aus diesem Grunde die in Frage kommende Stelle der Militärregierung kontaktiert und bezeichnet sich im Schreiben ausdrücklich als Unternehmen der Britischen Militärregierung mit Hinweis auch auf die ausschließliche Produktion für Britische Militärdienststellen.
Kamen anfangs noch Kübelwagen zur Produktion, so wurden doch im Dezember 1945 schon die ersten VW – Limousinen ausgeliefert. Durch die Einbeziehung als britischer Automobilhersteller konnte die sonst übliche Nachkriegsdemontage des VW-Werkes vermieden werden und die Verlagerung der Karosserieproduktion aus den zerstörten AMBI-BUDD-WERKEN in Berlin aus den letzten Kriegsmonaten erwies sich als weiterer glücklicher Umstand für die Produktionsaufnahme in Wolfsburg.
Es war sicherlich auch ein Glücksfall, wenn eine Firma aus Darmstadt am 27.Juli 1945 für einen KdF – Personenwagen mit Baujahr 1944 nach Prüfung durch den technischen Überwachungsdienst die Zulassung zum Verkehr auf öffentlichen Wegen erhalten konnte s. nachfolgende Belegausschnitte.
Ob das nachfolgende Bild aus einer städtischen Trümmerlandschaft Deutschlands und dem Jahr 1946 den oben TÜV geprüften Volkswagen abbildet, ist wohl eher fraglich.
Die Nachkriegsnotzeit war offensichtlich in jeder Hinsicht spürbar und neben den landwirtschaftlichen Flächen von Gut Mörse, Gut Wolfsburg und enteigneten Kleinbauern nutzte wohl das VW - Werk 1950 diesbezüglich Flächen bis unmittelbar an die Werksfront.
An dieser Stelle auch einmal ein Briefausschnitt, der die weitere Nutzung von VW – Briefpapier der Konzernführung aus NS – Zeiten noch im Jahr 1947 im privaten Gebrauch belegt!
Nach diesem Werksausflug zurück in die Wohnstadt Wolfsburg und in die unmittelbare Nachkriegszeit.
Die obigen Belege dokumentieren auch postalische Improvisationen mit Notstempeln, R – Zettel mit Gumminebenstempel und alliierte Markenausgabe mit US – Zensur im Beispiel der Postkarte auf dem Weg nach Rüsselsheim. In den Herbsttagen des Jahres 1945 tauchen weitere existentielle Fragen für die Stadt Wolfsburg im ZONENRANDGEBIET auf. Auch Russland hatte das Werk nun observiert und mit neuem Anspruch durch eine andere Grenzziehung erhebliche Unruhe auch unter die Bevölkerung gebracht. Dazu ein Originalflugblatt aus der Sammlung von H. Engelmann.
Die Nähe zur Zonengrenze und hier speziell der Grenzübergang HELMSTEDT tangierte fortan in vieler Hinsicht das Geschehen in Wolfsburg und dem Volkswagenwerk. ALLIED CHECK POINT HELMSTEDT
nachfolgend im Ausschnitt Post, Gaststätte u. Haltestelle Interzonenbusse Helmstedt
aus dem Barackenpostamt Helmstedt noch ein entsprechender Postbeleg
Wolfsburg wurde für lange Jahre der Nachkriegszeit und durch seine Lage zur Zonengrenze Durchgangslager für Menschen nach Ost und West. Anfangs zogen über Wolfsburg viele Polen wieder zurück in ihre Heimat und viele von ihnen nutzten den Aufenthalt im Barackenlager Wolfsburg zur Hochzeit und beschäftigten Kaplan Holling in erheblichem Ausmaß – wahrlich ein hoffnungsvoller und optimistischer Start in ein neues Leben und zu solch einem Zeitpunkt an diesem Ort!
Dafür kamen Ostflüchtlinge und Heimkehrer aus der anderen Richtung in die noch größtenteils aus
Baracken bestehende Stadt Wolfsburg. Manche blieben und fanden Arbeit im VW – Werk der Nachkriegszeit, andere zogen weiter. Wolfsburg wurde die Stadt mit extrem fluktuierender Einwohnerschaft aus den verschiedensten Regionen Deutschlands und mit lange bestehenden Behelfsunterkünften.
Auch zu dieser deutschen Historie folgend einige Belegbeispiele
Der folgende Arbeits – Pass ausgestellt im Jahr 1947 im Arbeitsamt Wolfsburg, bestätigt in diesem Fall schon die Beschäftigung im Volkswagenwerk ab 17.9.1946 durch die Volkswagenwerk GmbH., wie der innenseitige Detailausschnitt dokumentiert.
An dieser Stelle der Nachkriegsentwicklung in Wolfsburg ist noch einmal ein kurzer Blick auf
PORSCHE zu richten. Porsche zog mit Sohn und Schwiegersohn zur Tochter auf den Familiensitz in Österreich. Nach niedergelegtem Verfahren gegen Ferdinand Porsche und Anton Piëch wegen Verdachts auf Kapitalentwendung zum Kriegsende in der Stadt des KdF – Wagens wurde eine Entnazifizierung ebenfalls nicht eingeleitet. Es begann in Deutschland die Zeit der unterdrückten Erinnerungen und „prinzipiell waren fast alle dagegen gewesen“! Ausstellung Stuttgart 1947.
Trotz seines Alters und der erlebten Ereignisse der NS – Zeit war Porsche noch offen für seinen Traum der Volksmotorisierung und eine diesbezügliche französische Offerte lockte ihn mit Schwiegersohn zu Verhandlungen nach Baden-Baden. Statt Geschäftsverhandlungen waren Verhaftung und Gefängnis die Folge. Die französischen Machtverhältnisse in der Nachkriegszeit waren verworren, Peugeot fürchtete die Verstaatlichung wie bei Renault und war ferner an Aktivitäten von Porsche im eigenen Land in keiner Weise interessiert. Nachfolgend Absenderfreistempel Renault aus dem Jahr 1948.
Die Vergangenheit der VW – Aktivitäten bei Peugeot in SOCHAUX holten Ferdinand Porsche und Anton Piëch ein und wurden Gegenstand von Ermittlungen.
Unterschiedliche Zeugenaussagen und wohl veränderte französische Interessenlagen führten nach 22monatiger Haft zur Freilassung gegen Kaution. Es kann bei näherem Interesse auch diesbezüglich nur auf das
Standardwerk von Prof. Dr. Hans Mommsen und Dr. Manfred Grieger – DAS VOLKSWAGENWERK UND SEINE ARBEITER IM DRITTEN REICH verwiesen werden. Zurück in Österreich kann Porsche die ersten Fortschritte im Sportwagenbau seines Sohnes Ferry bewundern, der erheblich frühzeitiger aus anfänglich gemeinschaftlicher Haft entlassen worden war.
In Wolfsburg war Porsche letztmalig im Januar 1945 gewesen und dort lief es unter der britischen Besatzung und Major HIRST in Zusammenarbeit mit Oberst RADCLYFFE zwar stolpernd aber in zunehmenden Stückzahlen mit dem Volkswagen voran. Relativ ungestört von Demontagebefürchtungen waren eher lokale Schwierigkeiten zu meistern. Fehlender Kohlenachschub über den zugefrorenen Mittellandkanal, Materialengpässe und geringe Zahl an Facharbeiter waren vordergründig zu bewältigen. Angebote an England und Frankreich den Volkswagen als Reparationsleistung zu übernehmen, verliefen im Sande. Man wollte den eigenen Automarkt lieber schützen und die Prüfungskommission der Engländer gab dem luftgekühlten, lauten Auto schon gar keine Chance im heimischen Markt.
Die britische Werksführung setzte Dr. Hermann
Münch zunächst als deutschen Treuhänder ein. Er wurde Juni 1946 auch Generaldirektor der Volkswagen AG, empfahl sich als Jurist mit Erfahrung in Industriegesellschaften und in der Nachkriegszeit durch seine NS- distanzierte Vergangenheit.
Nachfolgend ein Schreiben Münchs mit Datum vom 5. Juni 1946 mit seiner Wohnadresse auf dem Steimkerberg mit dem Birkenweg 28.
Der Wunsch der Briten in der schwierigen Nachkriegszeit einen eher zusätzlich noch technisch versierten Werksleiter zu finden, führte dann zur Berufung von Nordhoff und Münch schied etwas designiert ob dieser Ablösung bei der Volkswagen AG aus. Allerdings sind retrospektiv seine Verdienste um Volkswagen durchaus erwähnenswert mit der Verlegung des VW-Geschäftssitzes von Berlin nach Wolfsburg, Einführung einer verbesserten Kostenkontrolle und Ansätze zur Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft.
Eine Chance erhielt von den Briten aber Heinrich Nordhoff als neuer deutscher Manager im November 1947 im Volkswagenwerk.
Heinrich Nordhoff
Nordhoff - mit automobiler Erfahrung bei General Motors - war wichtiger und erfolgreicher Werksleiter im OPEL - LKW – Werk Brandenburg während des Krieges. Die „Blitz“ – LKW waren die tragende Säule der Deutschen Wehrmacht gewesen und unter dieser Perspektive war eine Wiederanstellung für GM - Amerika von Nordhoff nicht vorstellbar.
Zum obigen Absenderfreistempel mit dem OPEL-BLITZ-Werk in Brandenburg kann noch ein seltener Freimarkenstempler (584 aus Dresden) des Automobilhauses Louis Glück passend hinzugefügt werden.
Nordhoff nahm also dafür das Angebot der Briten in Wolfsburg an.
Interessant aus der frühen Nachkriegszeit des 2. Weltkrieges ist ein Besuchsbericht aus dem Volkswagenwerk in Wolfsburg in der Schweizer Zeitung
L´ECHO ILLUSTRE´ mit Datum vom 10. Januar 1948 aus Genf.
Das Deckblatt berichtet illustriert von der Exilfahrt von König Michael I. aus Rumänien aus dem Haus Hohenzollern-Sigmaringen. Die Vita des rumänischen Königs mit Unterbrechungen in der Geschichte Rumäniens bis zu seinem Tod mit 96 Jahren ist höchst bemerkenswert und wirft einen Blick auf die wechselhafte Historie Rumäniens im 20. Jahrhundert.
Aber die Seiten 8 und 9 bringen ganzseitige Berichte über die „Wiedergeburt“ des Volkswagenwerkes in der Nachkriegszeit.
Aus dem französischem Text einige interessante Details in sinngemäßer Transkription:
„Die zum größten Teil abgebrannten Hallen imponieren stark dem Besucher. Ein Blick über die großen Montagerhallen. Die Menschen können in einigen Hallen wieder arbeiten oder im Wiederaufbau eingesetzt werden. Der Schreiber verweist sorgenvoll auf das ehemalige Kriegspotential des Werkes und dies auch bei Krupp und der IG-Chemie und bezweifelt eine weitgehende Zerstörung durch die Luftangriffe der Alliierten. Die englische und amerikanische Behörde kontrolliert das VW – Werk und die internationale Öffentlichkeit erwartet mit Spannung die Enthüllungen im Nürnberger Prozess zur deutschen Industriemaschine. Ein Blick zeigt auch schon wieder den Produktionsbeginn bei Opel.“
„Der Schreiber verweist noch einmal darauf, dass der Volkswagen bis 1945 nicht auf der Straße zu finden war, sondern das Werk eine militärische Aufgabe mit der Produktion des Kübelwagens hatte. Das erneute Produktionspotential ist aber durch die Alliierten zu kontrollieren und zu verteilen und evtl. sogar zu Reparationszwecken zu nutzen. So geht die erneute Nachkriegsproduktion spez. auch in die französische Zone und in Deutschland zunächst nur zur unbedingten Aufbau der Infrastruktur bei Post, Bahn und Forstbetrieben. Es findet sich auch eine Stellungnahme zum Morgenthau- und Marshall-Plan und fast mit Begeisterung werden die technischen Eigenschaften des Volkswagen beschrieben. Die monatliche Produktion von 100 Stück wird vorgestellt und die Aussicht auf eine Steigerung von 2500 pro Jahr.“
Mit den Managementerfahrungen im Automobilsektor von Nordhoff und seinem akribischen Arbeitseinsatz konnten sich die Mitarbeiter identifizieren und spez. nach der Währungsreform wurde Werk und Auto zum Wirtschaftswundersymbol der Deutschen Nation und der jungen Deutschen Bundesrepublik mit Gründung September 1949.
Hinzu kam die endgültige Klärung der Eigentumsverhältnisse für das Volkswagenwerk mit Übergabe November 1949 der britischen Treuhänderschaft auf das Land Niedersachsen in Kooperation mit der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland.
Auch die PORSCHE – Altverträge wurden zügig neu gestaltet und erlaubten zukünftig die Tätigkeit in ungebundener eigener Regie und Verantwortung im VW – Werk. Die Familie Porsche stand sich nicht schlecht nach den neuen Verträgen und hatte sicherlich die finanzielle Basis für den Neuanfang in Stuttgart und ihre Zukunft gesichert auch mit zusätzlicher Generalvertretung für Volkswagen in Österreich.
Aber bis zum Auto des deutschen Wirtschaftswunders war noch ein Stück Weg zu meistern und führt zum
neuen Menüpunkt
VW und Wolfsburg, BRD ab 1949
(Volkswagen wieder in deutschem Besitz und die Stadtentwicklung Wolfsburg)